8. Etappe

aus der Nähe von Clinton/British Columbia, ca. 500 km nördlich von Vancouver am Gold Rush Trail nach 35 500 km und 9 Monaten Reisezeit.

Mitten in den kanadischen Wäldern. Ich sitze an einem See, hinter mir ein Blockhaus, unser Zelt und das Mopped, vor mir die leeren Seiten meines Berichtshefts, die darauf warten gefüllt zu werden. Unsere Gastgeber sind mit Gaby in den nächsten Ort zum Einkaufen gefahren.

Es ist ein Sommertag. Um mich herum ist absolute Stille. Als ob der Ton abgestellt wäre. Nur eine vorbeisummende Fliege und, etwas später, ein Biber, der am gegenüberliegenden Ufer ins Wasser gleitet, sie unterbrechen diese Stille und überzeugen mich davon, dass mit meinen Ohren noch alles in Ordnung ist. Wenn man nichts mehr hört, kann man anfangen, daran zu zweifeln.



Gaby und ich sind im Norden Amerikas angekommen. Auf der Fahrt von San Francisco, dem letzten Berichtsort, über Portland und Seattle nach Vancouver kamen uns Wiesen, Wälder und Berge oft so vertraut vor, dass es uns kaum gewundert hätte, wenn die Leute im nächsten Dorf Deutsch gesprochen hätten.

Das ist hier nun ganz anders. Dunkle Tannenwälder mit hellen Birkenstämmen durchsetzt. In den aufragenden Bergen Gletscher, die weit hinunter reichen. Das Land der Elche und Bären, wie es uns unsere Gastgeber erzählen, wie wir es selbst an unverkennbaren Spuren im Wald feststellen und auf Warntafeln lesen können.

Aber bevor ich von unseren Abenteuern im Einzelnen, von wunderschönen Erlebnissen, aber auch Pleiten, Pech und Pannen berichte, zunächst wieder eine Zusammenfassung auf Englisch.

Mit dem vom Webmaster installierten Übersetzungsprogramm könnte ich mir das zwar sparen. Aber erstens müssen meine jämmerlichen Englischkenntnisse trainiert werden. Und zweitens möchte ich mich bei unseren neu gewonnenen Freunden mit einem eigenen Text in ihrer Sprache bedanken.

Summary after 22000 miles and 9 months out of nowhere in British columbia. The next village, Clinton, on HW 97 is 20 miles away. The neighbours are mainly deers, bears and mooses. The majority is held by moskitos. You meet them everywhere, especially on your skin.

One evening when I came back from a run through the forest, our friends explained to me that this would be unwise. The bears would misunderstand it. They would think, that I am anxious and come after me. Since than I am hiking through the forest as a big liar. I am walking very slowly pretending that I am not scared at all.

Three weeks ago we started from San Francisco. We went north on route N.1 along the coast. But the Pcific Ocean and the wether on the seaside were too cold to make all the way up to Seattle. Since the snowfall in the Altiplano in Peru 10 000 miles and four months ago it was the first time that it became uncomfortably cold again. We went East and found in the valleys along the rivers not only a wonderful landscae and roads in perfect conditions for motorbiking, but also the wether you expect during the summertime.

We had to stop in Eugene because the tank lost gasoline on a nonofficial way. There was a haule to repair. If you ever come this way on a motorbike, you have to stop at Top Gear Motorcycles, 1121 Bailey Hill Rd. (see picture below). They are really excelent on motorbikes. If you are not on a bike it is also worth to stop because they are wonderful people. We spend an evening together, made friends and hope to meet us again.

When I was young I often wondered how long I would do motorbiking. Now becoming older I know I will continue until I have to go to heaven. It's the same thing with windsurfing and snowboarding. On a 250 miles trip from Portland, our next stay, I learned that around this town you can found three paradises. For motorbikes the winding roads, for windsurfers River Gorge and for snowboarders Mount Hood. I know this places don't offer intelectuel thrills. But as the romains said a long time ago:"Mens sana in corpore sano."It's the right mixture, what counts. I will not stop trying to walk on both sides of the road.

Today when Portland comes to my mind I have Vikki and Rory before my eyes, friends on dream-bikes, Triumph Daytona and Ducati 900 Sport, we met on a gas-station a few days before. They invited us to stay with them during our stop-over in Portland. To live in a house, to sleep in a bed and to sit at a table during two days after 9 months travelling was wonderful. But far the best was sitting together as friends and learning from each other the similar views of live.

Seattle has a very good reputation all over the world as a well developed and intersting town. When we stayed there the town gave us an even better impression, because it didn't rain at all.We had only sunshine. So we left Seattle believing it must be a harbour-town on the Mediterranean Sea.

Often people thinks their town is the most beautiful of the world. That's quite normal.The Vancouver people does it also, but they may be right. Additionally they have the best embassador you can imagine: Robert (see below, in front of the All Bike Centre). I needed his help, because three spokes on the rear wheel were brokes.

We spent a night together. We first had an unbelievable good dinner together and than he showed us his town. At 3 o'clock in the morning we were back in our hostel on Jericho Beach (excelent and economic) very fond of this wonderful town.

Now we are heading north. We hope we will arrive in Anchorage in three weeks time and write there our next summary.

Nachdem ich meinen letzten Bericht abgeschlossen hatte, blieb mir noch ein Besichtigungstag für San Francisco.

Wer diese Stadt nicht selbst besucht hat, wird sie zumindest aus Filmen oder dem Fernsehen kennen. Ich denke an die Szenen, wenn alle ins Auto springen und sich gegenseitig verfolgen, die Guten die Bösen und umgekehrt. Immer dann, wenn die Autos eine steile Strasse hinaufjagen, oben durch die Luft fliegen und auf der anderen Seite bergab wieder landen, handelt es sich um San Francisco. Für die Begriffsstutzigen lässt der Regisseur dann noch eine Cable- Car durchs Bild rollen oder die Golden Gate Bridge im Hintergrund erscheinen. San Francisco sieht wirklich so aus. Zwar gab es an dem Tag, an dem ich die Stadt besichtigte, keine Verfolgungsjagden. Aber sonst war tatsächlich alles so, wie wir es bereits kennen.



Cable-Car fahren erscheint mir für San Francisco-Besucher unverzichtbar. Es geht durch verschiedene Stadtviertel, durch Einkaufsstrassen und Wohnbezirke, vorbei an Plätzen und Kirchen, Hotels, Restaurants, luxuriösen Apartmenthäusern und bescheidenen Wohnblöcken. Immer bergauf und bergab. Am schönsten sind die Blicke in die Querstrassen, wenn sich von Ecke zu Ecke immer wieder neue Ansichten ergeben. Mal sind es Hochhäuser, mal fällt der Blick auf den Pazifik, die großen Brücken erscheinen in der Ferne oder einige Ecken weiter das Geschäftszentrum San Franciscos aus nächster Nähe.

Der Cable-Car-Fahrer vorne und sein Bremser hinten haben im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun, um die Fuhre mit ihrer antiquierten Technik heil über die Strecke zu bringen. Sie sind meines Wissens die einzigen öffentlichen Angestellten, die nicht nur das erlauben, sondern sogar verlangen, was sonst überall verboten ist, nämlich auf dem Trittbrett mitzufahren. Der beste Platz für eine Besichtigungstour überhaupt.



Wenn man nur einen Tag Zeit hat, sollte man nicht versuchen, die Stadt zu beschreiben, sondern es besser anderen überlassen. Das, was ich gesehen habe, hat mir gut gefallen. Die über Hügel angelegte Stadt mit wenig Hochhäusern und vielen älteren, gepflegten Gebäuden, umgeben vom Meer und mit vorgelagerten Inseln profitiert von ihrer schönen Lage. Ihr berühmtester Inselbewohner, Al Capone, ausbruchssicher auf Alcatraz untergebracht, wird da anderer Meinung gewesen sein.

Über die Golden Gate Bridge nach Norden verabschiedeten wir uns von dieser Stadt.



Es dauerte nicht lange und ich musste meine Vorstellungen vom Motorradfahren in den USA gründlich revidieren. Schon in San Francisco war mir aufgefallen dass die Harley-Davidson und ihre mehr oder weniger gelungenen Nachbauten aus Japan offensichtlich nicht mehr so gefragt waren. Selbst das ein meinen Augen besonders beeindruckende Plagiat, die Honda Valkyrie (zu Deutsch: Walküre), schien auf weniger Liebhaber zu stoßen. Seit Wagner sind die germanischen Götterfrauen ja etwas in Verruf geraten, nicht wegen ihrer unbestreitbaren Reize, sondern wegen des hohen C's. Honda hat mit seinem Modell diesen deutschen Frauentyp völlig rehabilitiert. Sie dürfen wieder zeigen, was wirklich an ihnen dran ist und singen, dass zweirädrige Musikliebhaber ihre Freude daran haben. Aber, wie gesagt, auch die Honda-Walküren waren in San Francisco offensichtlich ins Hintertreffen geraten. Demgegenüber hatte die unüberschaubare Vielfalt japanischer Yoghurtbecher die Mehrheit übernommen. Zusammen mit den bollernden Ducatiträumen aus Italien, den Dreizylindern aus dem Land der Queen und, nicht zu vergessen, auch einigen blauweißen Möchtegernsportlern. Überraschend. Nachdem wir die Küstenstrasse Route Number One erreicht hatten, wussten wir, warum. Nach 500 km auf kleinen Landstrassen hätten wir gern mit einem dieser Modelle getauscht.

Zweispurig, im besten Zustand, hinauf und hinunter, durch Kurven schwingen, je weiter von der Küste entfernt, umso verkehrsärmer, entlang an Bächen und Flüssen, durch wunderschöne Mittelgebirgslandschaften. Ich konnte mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, die Strassen seien extra für uns kurz vorher gefegt und anschließend abgesperrt worden. So super waren die Verhältnisse und so wenig war los. Es ist der besten aller Sozias zu verdanken, dass die Aluminiumkoffer keine Schleifspuren aufweisen. Ich glaube, dann wäre sie wirklich böse geworden. Aber so hat sie jede Schräglage im Zweierpack anstandslos mitgemacht.

Vom Norden Kaliforniens an bis nach Kanada hinein, sind die zweispurigen Landstrassen einfach ein Traum. Jede Kurvenkombination ein Werbefoto, jede Meile eine Streckensperre wert. Zum Glück ist die deutsche Verwaltung weit. Dies Motorradparadies hätte sie völlig überfordert. Bei den wenigen verbotstauglichen Strecken in Deutschland hat sie ein leichteres Spiel.

Ursprünglich hatten wir vor, die ganze Route Number One an der Küste entlang bis hinauf nach Seattle zu fahren. Wilde Romantik, Meer und Land bis zum Horizont, mit uns in der Mitte.



Wir haben es versucht. Aber der Humboldt-Strom ist einfach zu kalt. Auf dem Breitengrad, auf dem bei uns Neapel liegt, spielt das Wetter dort immer wieder Dänemark, wenn gerade ein Tief durchzieht. Hinter Eureka, gute 400 km nördlich von San Francisco bogen wir ab ins Landesinnere, den Klamath-River entlang, und hatten schnell wieder Temperaturen, wie man sie im Sommer erwarten darf.

Die Gegend ist berühmt für ihre Redwood-Trees. Es sollen die größten und ältesten Lebewesen auf dieser Erde sein. Sie werden über 100 Meter hoch und über 2000 Jahre alt. Einige, an denen wir vorbeifuhren, müssen schon gestanden haben, als unsere Vorfahren unter Hermann dem Cherusker die Römer aus dem Teutoburger Wald vertrieben. Für uns ist das schon ziemlich lange her, die Redwood-Trees werden hierzu ein anderes Zeitverständnis haben.

Die Strassen durch diese Wälder sind so schön wie alle übrigen Landstrassen.



Motorradfahrer sollten es allerdings nicht zu weit treiben und von der Strasse rutschen. Die Streckenbegrenzungen sind furchteinflössend. Die gewaltigen Bäume sind als Fangzäune völlig ungeeignet. Es sind übrigens die gleichen Bäume, in die man riesige Löcher gesägt hat, um Touristen mit ihren Autos durchfahren und Fotos machen zu lassen. Ich muss zugeben, auch wir sind durch eine solche Touristenattraktion gerollt. Sie stammt aus den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Baum wächst unverändert weiter. Das garagengroße Loch in seiner Mitte scheint ihm nichts auszumachen.

Ich berichte nicht darüber, dass mir die beste aller Sozias in diesen Tagen eine zusammenlegbare Angel gekauft hat, die ich auch schon für mehrere Stunden ins Wasser gehalten habe. Ich will mit meinem Anglerlatein erst beginnen, wenn ich einmal wirklich etwas gefangen habe.

Kurz vor Hamburg ereilte uns ein Schicksalsschlag, der uns teuer zu stehen kommen sollte.

Wer diesen Satz jetzt ein zweites Mal liest, weil er seinen Augen nicht traut, dem ergeht es nicht besser als uns. Auch wir mussten zweimal hinsehen und konnten anschließend nur den Kopf schütteln. Dass wir so schnell wieder in Hamburg seien würden, hätten wir nicht gedacht.



Ein eigenes Bild von Hamburg haben wir nicht gemacht. Ein Ortsschild gibt es nicht, nur einige Hütten und halbverfallene Scheunen. Als wir dort durchfuhren, hatten wir bereits andere Sorgen. Ich habe einen der ununterbrochenen Ärgerpunkte bisher für mich behalten. Es reicht ja, wenn sich einer ärgert. Aber nun muss die ganze Wahrheit ans Tageslicht.

Für die weiten Strecken in Patagonien, im Altiplano und in Alaska hatte ich die Transalp mit einem Sondertank ausgerüstet und damit ein pausenloses Unterhaltungsprogramm sichergestellt.

Der Tank hat unter anderem zwei Benzinhähne und ein Verbindungsstück, die sich darin ablösen, undicht zu sein. Das bringen sie selbst dann fertig, wenn sie im übrigen aus den verschiedensten Gründen kein Benzin mehr zum Vergaser durchlassen. Zusätzlich gehört zu diesem Tank eine Unterdruckpumpe, deren Arbeit benötigt wird, wenn beide Tankhälften halb leer sind. Die ganze Anlage funktioniert eigentlich nur auf Meereshöhe, wobei „eigentlich" für eine 500 km- Fahrt ohne Nachtanken steht, die mir einmal vor 6 Monaten in Chile gelungen ist. Gewöhnlich komme ich nie so weit. Die Benzinpumpe ist offensichtlich höhenempfindlich. Sobald ich die Meereshöhe verlasse, stellt sie langsam aber sicher ihren Dienst ein. Mangels Höhenmesser kann ich nicht genau sagen, wann sie in den totalen Streik übergeht. Es muss irgendwo zwischen 500 und 1000 Metern sein. Von da an fahre ich dann literweise Benzin spazieren, das keine Macht der Welt mehr in den Vergaser bringen kann. Die letzte Möglichkeit besteht darin, aus der einen Tankhälfte das Benzin in einen mitgeführten Kanister abzulassen, um die andere Tankhälfte damit aufzufüllen. In der Regel gelingt es dann, die Transalp noch zu einigen Kilometern mehr zu überreden.

Als Gaby nach unserem Hamburg-Stop behauptete, es rieche schon wieder nach Benzin, tat ich das ab. Wie jedes Mal. Die Benzinriecherei ist auf dieser Reise zu einem unverzichtbaren Ritual zwischen uns geworden. Sie sagt: "Es riecht." Ich sage: „Stimmt nicht." Und sie hat jedes Mal recht. Irgendwo tropft es dann. Diesmal unten am Motorschutz. Das war neu. Nach mühseliger Sucherei fanden wir eine kaum sichtbare Lacköffnung oberhalb der Sitzbankkante, aus der Benzin austrat und nach unten lief. Nach Einsatz eines Fingernagels stellte sich heraus, dass es sich nicht um eine unerklärlich winzige Öffnung handelte, sondern um eine große Fläche, durch die Benzin heraussickerte.



Als Westeuropäer hat man gelernt, in logischen zusammenhängen zu denken, fest an das Prinzip von Ursache und Wirkung zu glauben. Nach diesen Kriterien ist der Tankschaden völlig unerklärlich. Ich bin inzwischen zum Zen-Buddhismus übergetreten und meditiere darüber, dass es auch Wirkungen ohne Ursache geben kann.

Der Tank besteht zum Glück aus zwei Hälften, die allerdings fast bis zur halben Füllmenge untereinander verbunden sind. Da wir gerade nicht auf Meereshöhe waren, hieß dies im Ergebnis: Oberhalb der halben Füllmenge fuhr die Kiste zwar, aber ich saß mit einem Bein im Benzin, darunter saß ich im Trockenen, aber der Vergaser auch. Benzindurchtränkt und nur knapp an einer einmaligen Karriere als lebendes Feuerwerk vorbei erreichten wir Eugene, ein Städtchen an der Interstate 5 ca. 160 km vor Portland.

Es ist eine unglaubliche Schweinerei, mit welchem Schrott Motorradfahrer noch heute tagtäglich auf Reisen geschickt werden. Motorradfahren ist ohnehin schon gefährlich genug. Es gibt keinen einen Absteiger, keinen einzigen Unfall, der nicht mit Körperverletzungen, meistens mit schweren, verbunden ist. Und dann immer wieder solche Stümpereien. Angefangen beim Motorradbau selbst ist die ganze Motorradbranche immer noch weit entfernt von den Qualitäts- und Sicherheitsstandards, die heute auf dem Automobilsektor selbstverständlich sind. Nicht umsonst heißt es – um nur ein Beispiel zu nennen -, dass Schrauben immer wieder auf ihren festen Sitz hin überprüft werden müssen. Das sollte man einmal von VW-, oder erst recht von Mercedes-Fahrern verlangen. Jeder sein eigener Bastel-Freak und dann volle Pulle über Autobahnen und Landstrassen. Das muss doch nicht mehr sein.

Was die übrige Ausrüstung angeht, sieht es keinen Deut besser aus. Wo ist der wirklich zuverlässige Schutz vor Nässe und Kälte? Der ganze Schund, der auf dem Markt ist, geht offensichtlich davon aus, dass man als halberfrorene Wasserleiche besonders verkehrstüchtig ist. Kommt man allen Widrigkeiten zum Trotz dennoch heil am Zielort an, scheinen sich die Koffer- und Kistenhersteller darin einig zu sein, dass trockene Wechselkleidung für Motorradfahrer ein unnötiger Luxus ist. Wir haben jedenfalls in unsere Kisten Löcher hineingebohrt, damit das Wasser besser ablaufen kann. Ein Tipp, der inzwischen auch von anderen Kistenfahrern hoch geschätzt wird.

Wenn jetzt einer ruft: „Aber meine Kisten sind dicht.", dann versteht er nicht, was ich sagen will. Ich schreibe nicht gegen die wenigen wirklich guten Produkte, die auf dem Markt sind, sondern gegen den unglaublichen Schund und Schrott, der uns im Übermaß angeboten wird. Und unsere Sicherheit gefährdet. Ich halte es nicht für eine übertriebene Aussage, dass jede unterkühlte Hand und jeder quatschnasse Fuß ein zusätzliches Sicherheitsrisiko darstellen.

Aber ich will mich ja gar nicht aufregen. Es bleibt dabei. Die Qualitätsstandards im gesamten Motorrad- und Zubehörbereich sind unter aller Sau. Nicht, was die rühmlichen Ausnahmen angeht, sondern im allgemeinen Durchschnitt. Und damit basta.

Zusatzfrage: Wo bleibt die tiervertreibende Motorradhupe, die in nur für Tiere hörbaren Frequenzen so schmerzhaft ist, dass alle Vierbeiner sofort die Flucht ergreifen. Alles längst erfunden, nur nicht als Motorradhupe. Ich hätte mir damit 3 gebrochene Rippen und dem armen Hund den Verkehrstod ersparen können.

Für das Ende der Reise habe ich mir vorgenommen, darüber zu berichten, was sich bewährt hat und was nicht, was ich noch einmal genauso machen und was ich ändern würde. Das Urteil über meinen Spezialtank wird keinen mehr überraschen.

Als ich das gute Stück zur Reparatur ablieferte, die uns dann 320 Dollar kosten sollte, lernte ich Hunter kennen. Während ich bastelte, sprach er mich an, ob ich Hilfe, Werkzeug oder sonst irgendetwas benötigte. Er hätte eine Motorradwerkstatt gleich gegenüber. Wie ich später erfuhr, hat er nach aufregenden Lebensstationen als Rennfahrer, Bühnenbauer für Pop-Festivals, Architekt und Tauchlehrer einen kleinen Motorradladen für hochkarätiges Zubehör mit Werkstatt aufgemacht. Er betreibt ihn mit seinem Partner Riley (auf dem nachfolgenden Bild im roten Overall), einem begnadeten Mechaniker. Wir verbrachten einen gemeinsamen Abend mit Hunter und seiner Frau Silke aus Weissenburg bei Nürnberg, sprachen über Gott und die Welt und natürlich ausgiebig über alles, was irgendwie mit Motorradfahren zusammenhängt.

Ich muss als gutmütiges Schaf zur Welt gekommen sein, denn beim Aufbruch aus Eugene am nächsten Morgen war die Freude über die neugewonnenen Freunde um ein Vielfaches größer als der Ärger über die gemeine und so unnötige Schändung unserer Reisekasse.



In Portland warteten Rory und Vikki auf uns, ein Triumph-Daytona und Dukati- 900-Sport fahrendes Paar aus England, das wir mehrere Tage zuvor auf einer Tankstelle kennen gelernt hatten. Der Sound ihrer Motorräder ist unverkennbar. Ich hatte die beiden Bikes schon aus der Ferne gehört, war glücklich, sie einbiegen zu sehen, und freute mich darauf, sie bewundern zu können. Die Freude war schnell gegenseitig, denn Rory und Vikki konnten gar nicht genug von unserer Reise und den Erlebnissen hören. Wir versprachen in Portland Station zu machen und hielten Wort. Es wurde eines der schönsten Wochenenden auf unserer ganzen Reise. Es ist schwer zu sagen, an was ich mich am liebsten erinnere. An die herzliche Gastfreundschaft, mit der wir aufgenommen und in ihrem Haus beherbergt wurden, an die gemeinsame Ausfahrt oder unseren 250-Meilen-Trip rund um den Mount Hood.



Portland scheint mir eine den europäischen Großstädten verwandte Metropole zu sein, die über viele Attraktivitäten verfügt. Das gilt umso mehr für diejenigen, die im Sommer gern zum Windsurfen und im Winter zum Snowboarden gehen. Der River Gorge und der Mount Hood, direkt vor der Tür, bieten ideale Möglichkeiten. Wir haben außerdem gelernt, dass es sich um ein Motorradparadies erster Güte handelt, in dem schönste Strecken, Verkehrsarmut und eine beeindruckende Natur um den ersten Preis streiten. Das nachfolgende Bild entstand bei einem kurzen Zwischenstopp am Lake Jonathan mit Blick auf den Mount Hood.



Im Vorwort habe ich Pleiten, Pech und Pannen versprochen. Die Pleite hatten wir schon. Jetzt kommt das Pech.

Auf der Strecke nach Seattle liegt der Mount St.Helens, ein Berg, dem seine Spitze vor ca. 20 Jahren in einer gewaltigen Eruption davongeflogen ist. Zunächst war es auf der Anfahrt wie in den Vortagen schönstes Wetter und ein Motorradparadies mehr. Aber dann wurde es kalt, neblig und fing an zu nieseln. Als wir schließlich zum National Volcanic Monument hätten abbiegen müssen, war es unter 10 Grad, nass und absolut ungemütlich. So ein Pech. Wir fuhren weiter und dann ließ die Panne auch nicht mehr lange auf sich warten.

Noch am Abend vorher hatte ich bei Rory und Vikki auf Holz geklopft und stolz berichtet, wir seien bisher ohne einen Platten über die Runden gekommen. Hochmut kommt vor dem Fall. Bevor ich richtig realisiert hatte, dass hinter mir etwas nicht stimmte, war der Reifen schon platt und wir beinahe auf der Nase. Meine ganze Altiplano-Ausrüstung für Reifenpannen half wenig, denn der Reifenmantel hatte sich so zerstört, dass man an mehreren Stellen die Finger durchstecken konnte. Obwohl es Sonntag war, ließ die Hilfe dank Rick's Towing Service nicht lange auf sich warten.

Die eigentliche Aufgabe bestand darin, am nächsten Tag von einem 500-Seelen- Ort aus, der keine öffentliche Verkehrsanbindung und keine Taxen kennt, einen Reifen zu besorgen. An einem Montag, an dem in ganz Oregon alle Motorradläden geschlossen sind. Langer Rede kurzer Sinn. Nach 30 Stunden konnten wir schließlich unsere Reise mit einem neuen Hinterreifen und weiter geschröpfter Reisekasse fortsetzen.

Nun ist ein platter Hinterreifen keine große Sache. Aber wenn eins zum anderen kommt, fängt man doch an zu fragen, ob das alles auf zwei Rädern seinen Sinn macht. Ich habe in dieser Frage gar keine Zweifel. Im Gegenteil, ich bin überzeugt davon, dass man mit dem Motorrad die Welt am besten erfahren kann. Abgesehen vom Einsatz der Füße und Fahrradpedalen, die einen nicht weit genug bringen, wüsste ich keine andere Art zu reisen, die alles so unmittelbar erleben lässt und gleichzeitig soviel Sympathien weckt. Alle Widrigkeiten, Entbehrungen und Gefährdungen sind, so glaube ich, unverzichtbare Bestandteile, ohne die das Motorradfahren kein Motorradfahren wäre.

Aber das Innenleben von Motorradfahrern ist so eine Sache. Bei Alice Schwarzer habe ich einmal gelesen, alle Männer dächten nur an das eine. Okay. Das stimmt zwar nicht, ist aber zur Genüge bekannt. Sie schrieb dann weiter, Männer seien ..............! Motorradfahrer seien um keinen Deut besser. Im Gegenteil. Man müsse nur ihre symbolträchtigen Maschinen sehen, um zu wissen, wie es wirklich in ihnen aussähe. Ich habe lange Zeit geglaubt, wenigstens ich würde eine Ausnahme machen, bis ich in Seattle mit der Wahrheit konfrontiert wurde. Wie das nachfolgende Bild beweist.



Endlich in Seattle, der zeitweiligen Traumstadt der besten aller Sozias. Sie hatte in der Vorbereitungszeit Stadtbeschreibungen gelesen und ihr Herz an Seattle verloren. Im Gegensatz zu mir, der ich der Meinung bin, dass es in Hamburg schon genug regnet. Wenn Leute, wie in Seattle, das Wort „wet sunshine" für Sommerregen erfinden müssen, um im Wetterbericht wenigstens einmal von Sonnenschein sprechen zu können, ist das ein verdammt schlechtes Zeichen. So hatte ich eine konkrete, aber wenig anziehende Vorstellung entsprechend dem Schnappschuss, der auf unserem ersten Stadtspaziergang entstand.



Das Bild ist ein Beweis dafür, wie sehr man sich manchmal anstrengen muss, um einmal gefasste Vorurteile aufrecht zu erhalten. Ich benötigte eine kunstvolle Brunnenanlage und die städtischen Wasserwerke um den Regen vorzutäuschen, der sich vom Himmel herab während unseres ganzen Aufenthaltes nicht einstellen wollte. Im Gegenteil, wir hatten schönstes Sommerwetter mit viel Sonnenschein und angenehmen Temperaturen.

Die Stadt über hügelige Halbinseln und Inseln verteilt ist durch das Meer geprägt. Alles, was wir auf unseren Rundgängen durch diese gepflegte, oft europäisch anmutende Stadt sahen und erlebten, gefiel uns ausnehmend gut.



Es wäre Gaby's Lieblingsstadt geblieben, wenn wir nicht einige Tage später nach Vancouver weitergefahren wären.

Über die Fahrt selbst gibt es nicht viel zu berichten. Das einzig Bemerkenswerte war, dass einmal mehr die zwischen uns vereinbarte Zeichensprache nicht funktionierte. Bei unserem Start in Hamburg hatten wir uns mit Funksprechgeräten ausgerüstet in dem gemeinsamen Bemühen, die eheliche Kommunikation auch während der langen Fahrtstrecken nicht verkümmern zu lassen. Weil viel zu kompliziert und viel zu anfällig, hatten wir diese Geräte schon nach kurzer Zeit wieder aussortiert und zurückgeschickt. Von da ab galt Zeichensprache. Knüffe jedweder Art in meine rückwärtigen Körperteile bedeuten „Losfahren" oder „Schneller fahren", ziehen an Jackenärmeln oder Hosenbeinen heißt „ Bitte etwas langsamer", nach unten deutender Zeigefinger vor meinem Visier „Anhalten, ich will fotografieren". Ich selbst benötige nur ein Zeichen, nämlich vorsichtiges Streichen an Gaby's Oberschenkel. Das Zeichen ist immer dann fällig, wenn sie im Tiefschlaf hinter mir so zusammensinkt, dass sie droht herunterzufallen. Ich versuche sie dann vorsichtig zu wecken, ohne dass sie hochschreckt und dadurch sich und die ganze Fuhre aus dem Gleichgewicht bringt.

Diesmal erschienen vor meinem Visier vier Finger. Das war nicht abgemacht. Hinter mir aufgeregtes Zappeln und wieder vier Finger. Herrgott noch mal. Der Tank war repariert, ein neuer Reifen hinten drauf, kein verdächtiges Geräusch und dann immer diese Finger in meinem Blickfeld. Weder Polizei vor mir, noch Polizei hinter mir, keine verlorenen Gepäckstücke. Was soll das denn? Auch keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 Meilen. Tachometer. Das war es. Abgebremst und gerade noch getroffen.



Viele Leute in Vancouver glauben, ihre Stadt sei die schönste der Welt. Nachdem ich einige Tage dort war, würde ich mit ihnen darüber nicht mehr streiten wollen. Sie könnten recht haben. Man muss sich Hamburg vorstellen, vom Meer umgeben, mit malerisch vorgelagerten Inseln und einer dahinter steil aufragenden Gebirgslandschaft. Dann haette ich widersprochen. So bin ich bescheiden geblieben und habe mich mit Gaby an dieser einmalig schönen Stadt erfreut. Auch die Reisekasse war mit Vancouver einverstanden, nachdem wir im Hostel Vancouver für ca. 30 Mark pro Nase untergekommen waren.



Zwar Jugendherbergscharakter, aber mit Küchenbenutzung, Internet, Telefax, Waschküche, Fernsehraum etc.. Mit wenig Vorschriften, locker, aber dennoch sehr sauber, effektiv und hilfsbereit organisiert. Unsere Anforderungen als Fernreisende hätten nicht besser erfüllt werden können.

Die wunderschöne Lage des Hostels an der Jericho Beach gibt es umsonst. Man geht durch ein Parkgelände, vielleicht 150 bis 200 Meter, bis an den Strand. Wenn dann, wie bei uns, die Sonne scheint, kann man sich dort in den Sand legen und mit Blick auf die Silhouette von Downtown träumen und sich seines Lebens freuen.



Außer dem Nichtstun hatten wir in Vancouver noch zwei Dinge zu erledigen. Erstens fehlten in meinem Hinterrad 3 Speichen, ein ständiger und deshalb bereits vertrauter Sorgenpunkt auf unserer Reise. Die zu ersetzenden Speichen waren Nummer 18 bis 20. Es bewahrheitete sich einmal mehr, dass Honda- Niederlassungen meistens nur für Original-Ersatzteile gut sind. Wenn diese allerdings, wie in meinem Fall, nicht vorrätig und Bastelarbeiten angesagt sind, ist man an anderen Adressen besser aufgehoben. Viel besser. In Vancouver war es das All Bike Centre mit Robert, das uns aus der Patsche half. Die restlichen Vorderrad-Ersatzspeichen gekürzt, im Winkel verändert, Gewinde geschnitten und fertig war die Laube. Damit nicht genug, wollte uns Robert seine Stadt zeigen. Es begann mit einem gemeinsamen Abendessen im Boathouse an der English Bay – in Frankreich würde die Küche in den Guide Michelin aufgenommen – und endete nach einer ausgiebigen Besichtigungstour um 2 Uhr morgens vor unserem Hostel. Einen besseren Botschafter kann sich diese Stadt nicht wünschen.



Unsere zweite Aufgabe war es, die Rückkehr nach Deutschland zu organisieren. Obwohl wir noch von Alaska und Anchorage weit genug entfernt sind, haben wir bereits erfahren, dass Flüge für uns und der Seetransport für das Mopped von Anchorage zurück nach Hamburg im Vergleich zu den Kosten von Vancouver aus mehr als das Doppelte betragen. Nach dem jetzigen Stand wollen wir, wie ursprünglich vorgenommen, gemeinsam Anchorage erreichen. Dann wird Gaby von dort aus den Flieger nach Hamburg nehmen. Ich werde allein die paar Kilometerchen nach Vancouver zurückfahren, dort die Transalp abgeben und 14 Tage nach der besten aller Sozias in Hamburg erscheinen.

Im Gegensatz zu dem Spruch von dem lachenden und weinenden Auge freue ich mich darauf. Ich freue mich zum einen auf die vor uns liegenden Erlebnisse in Kanada und Alaska, zum anderen darauf, wenn diese Reise zu Ende und wir wieder zu Hause sind.



Mit unserem nächsten Bericht wollen wir uns aus Anchorage melden. Wenn alles gut geht, wird der Abschlussbericht bereits wieder wie die Einleitung vor einem knappen Jahr aus Hamburg/Volksdorf kommen. Sollte es einen interessierten Verlag geben, könnten meine gesammelten Werke, überarbeitet und ergänzt, bis zu Weihnachten als Buch erscheinen. Wenn ich einmal soweit nach vorne denke, dann würde ich mich am liebsten mit diesem Buch von den Tagebuchlesern verabschieden. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wie auf der ganzen Reise, nicht nur in Kilometern zu messen.



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Motorradonline24