3.Teilbericht 2.Etappe 12. Dez.2000

Puerto Montt ( 1000 km suedlich von Santiago de Chile)

Seit unserem letzten Bericht aus Perito Moreno sind Wetter, Landschaft und Orte, durch die wir kommen, ganz anders geworden. Fast wie auf einem anderen Stern.

Es regnet. Immer wieder.Alles ist gruen, bunt, eine kraeftige Vegetation. An der Strecke kleine Orte, Bauernhoefe, Huetten. Viel Weidewirtschaft.
Kuehe auf Weiden wie in der Milka-Werbung.Alles ein Stueck vertraueter als bisher. So sehr, dass ich schon anfange, mich nach der unendlichen, rauhen, unbewohnten Weite der letzten Wochen zurueckzusehnen.

Aber alles der Reihe nach und im Einzelnen.

An unserer letzten Station in Perito Moreno hatte man uns einen wichtigen Rat mitgegeben. Wir sollten den zweitgroessten See Lateinamerikas - Lago Buenos Aires (argent.Teil), Lago General Carrera (chil. Teil) - nicht mit dem Schiff ueberqueren, sondern auf der chilenischen Seite umrunden. Die Piste sei stellenweise grausam, aber die Erlebnisse einmalig.

Das war nicht gelogen. In steilen Bergauf-, Bergab-Kurven ueber 60 Kilometer an einem riesigen Bergsee entlang. Mit atemberaubenden Ausblicken



An den Stellen, an denen die Pisten- und Windverhaeltnisse noch ein Stueck atemberaubender waren, zog es Gaby - die beste aller Sozias - vor, nicht mehr genau hinzugucken, sondern die Natur im Allgemeinen zu bewundern. Ich haette das auch am liebsten getan, musste aber stattdessen mit einer Mischung aus Schwindelfreiheit und Gottvertrauen die Fuhre heil ueber die Strecke bringen.



Die Schwindelfreiheit hat geholfen, am Abgrund - manchmal nicht mehr als einen halben Meter entfernt - entlang zu balancieren, das Gottvertrauen dafuer gesorgt, dass in diesen Momenten kein Auto entgegenkam. Sonst haette der Reisebericht ganz ploetzlich zu Ende sein koennen.

Ende gut, alles gut. Nach dieser Strecke fuehle ich mich wie mit Enduro-Abitur. Nur der Hinterreifen hat maechtig gelitten. Nach dieser Tortur noch nicht einmal 3000 km alt und schon fast am Ende. Alles sieht irgendwie zerfetzt aus, ein Teil der Stollen abgerissen.



Falls ich nicht rechtzeitig an einen neuen Reifen komme, werde ich auf heimische Produkte umsteigen muessen.



Dann hat sich auch die Frage mit den Speichen und ob sie die Strapazen aushalten, von alleine erledigt.

Die Carretera Austral. Von Pinochet waehrend der Militaerdiktatur als Verbindungsstrasse in den Sueden gebaut. Dass eine nur unter macht- und militaerpolitischen Gesichtspunkten vorgenommene Investition am Ende so schoen sein kann, ist fuer mich ein unaufloesbarer Widerspruch.

Wir befahren die Carretera Austral von Sued nach Nord und sind begeistert.



Wenn die Regenwolken den Blick freigeben, steigen aus dem undurchdringlichen Regenwalddickicht die Berge steil auf. Alle schneebedeckt, viele von Gletschern ueberzogen. Immer wieder ueberqueren wir kleine, groessere, reissende Gebirgsbaeche, Fluesse, Stroeme. Die Bruecken darueber sind ein eigenes Kapitel.

Jede Bruecke ein Abenteuer. Meistens Holzbohlen, zwei Streifen, eine einfache Lage Holz in der Mitte. Mit meinem Enduro-Abitur keine Schwierigkeit. Wenn einem eine aufgebogene Bohle wie ein Spiess entgegensteht, nimmt man besser die andere Spur. Erhoehte Aufmerksamkeit ist angesagt, wenn die Bohlen nassgeregnet sind. Ich habe mir angewoehnt, dann die Luft anzuhalten. Das scheint gut zu funktionieren. Selbst auf einer schmalen, holzbelegten, nassgeregneten, im stuermischen Wind schwankenden Haengebruecke.

Von Chaiten aus setzten wir auf die (annaehernd Mallorca-grosse)Insel Chiloe ueber, die wegen ihrer Eigenart immer wieder hervorgehoben wird. Heute kann ich das gut verstehen. Sie hat einen ganz eigenen, eine liebenswerten Charakter. Eine saftig gruene Huegellandschaft, in die sich die Meeresarme des Pazifischen Ozeans hineinziehen. Wenn man Glueck hat, so wie wir, gucken ein paar Seeloewen aus dem Wasser und sehen uns dabei zu, wie wir auf der Kaimauer sitzen und Kuchen essen.

Alles ist aus Holz, die Schiffe,



die Haeuser und die Kirchen. Wenn sie fertig gebaut sind, werden sie bunt angestrichen.



Die Menschen auf Chiloe sollen bis in die juengste Zeit sehr, sehr arm gewesen sein. Wir haben den Eindruck, dass mit Landwirtschaft, einer intensiven Fischzucht (Lachs) und etwas Tourismus sich die Verhaeltnisse gebessert haben und langsam ein bescheidener Wohlstand aufgebaut wird.

Nun sind wir in Puerto Montt, am Beginn bzw.Ende der Carretera Austral. Die erste groessere Stadt seit 7 Wochen, seit Buenos Aires. Gaby fliegt, wie geplant, nach Hause, um mit den Kindern Weihnachten zu feiern. Marc und ich setzen unsere Reise in Richtung Norden fort. Als naechstgroessere Station haben wir Santiage de Chile vor uns. Ich schaetze mal, dann haben wir, unsere Moppeds und alle Tagebuchleser (Einmal mehr vielen Dank fuer die Gaestebucheintragungen. Wer es noch nicht ausprobiert hat: Einfach anklicken, schreiben und abschicken.) ein besonders schoenes Weihnachtsfest verdient. Marc und ich werden einige Rasttage einlegen und es uns gut gehen lasse.
Die Moppeds werden mit neuen Reifen, Oelwechsel und sonstigen Wellnes-Massnahmen verwoehnt.
Die Tagebuchleser kriegen einen neuen Bericht.

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