4. ETAPPE 3. TEILBERICHT


aus Quito, Hauptstadt Ecuadors, in knapp 3000 m Hoehe am Aequator nach ueber 22 000 km und 6 Monaten Reisedauer.

Es haette nicht viel gefehlt und wir waeren fuer immer in Nasca - unserer letzten Berichtsstation - geblieben. Nach einer Sage sollen diejenigen Nasca nicht mehr verlassen koennen, die in den Aquaedukten der Incas gebadet haben. Gaby hatte sich bei der Besichtigung dort die Haende gewaschen. Und das schien auszureichen. Einladungen, letzte Kontrolluntersuchungen, Abschiedsfeiern usw. wollten kein Ende nehmen.



Die Abfahrt wurde von Tag zu Tag verschoben. Endlich, dreieinhalb Wochen nach unserem unfreiwilligen Abstieg, war es dann schliesslich doch so weit. Das folgende Bild zeigt Gaby bei dem Aufbruch aus unserem Hotel, das den Ereignissen zum Trotz den Namen "Alegria" trug.



Wir sind wieder unterwegs. An der Pazifikkueste entlang ueber Lima nach Quito/Ecuador. Wenn wir dort angekommen sind, liegt der erste grosse Teil unserer Panamericana-Tour mit 22 000 km hinter uns. Wir waeren sehr gern auch noch durch Kolumbien gefahren. Aber im Interesse der Guerilleros, fuer die es lohnendere Opfer als ein bikendes Rentnerpaar aus Deutschland gibt, und im Interesse der Tagebuchleser, denen wir eine weitere Reiseunterbrechung ersparen wollen, tun wir das nicht. Auf dem Landweg kommt man ohnehin nicht nach Zentralamerika. Wir werden von Quito aus fliegen und die Reise in Panama fortsetzen.

Bevor ich jetzt loslege und ueber die letzten 14 Tage berichte, gibt es zunaechst wie gehabt, eine spanische Zusammenfassung.

Resumen de Quito/Ecuador despues de 6 meses de viaje y 22 000 km recorridos.

Ayer hemos llegado a Quito, la capital de Ecuador. Hace un año que fuimos aqui durante tres semanas para aprender o bien mejorar el castillano. Esta estadia nos da casi la impression de estar a casa.

Hace dos semanas que salimos de Nasca, la pequeña ciudad peruana con sus famosas lineas. Aunque cerca de Nasca se ocurio el accidente y aunque las tres costillas fracturados despues del accidente me dolian mucho, me acuerdo del tiempo pasado en Nasca con mucho gusto. No solamente hemos aprendido como esta la vida cotidiana en una pequeña ciudad como Nasca, pero hemos hecho durante esto tiempo tambien muy buenos amigos. Era para nosotros un gran placer de vivir con ellos y recibir su cordial hospidalidad. No pudimos decir "Adios" sin prometer de volver pronto.

Como tenia que hacer atencion con mis costillas y como hasta ahora no se acabo todavia la lluvia en el altiplano hicimos la Panamericana a lo largo de la costa pacifica. Despues de una estadia de cinco dias en Lima visitamos las ruinas de Chan Chan cerca de Trujillo y al Señor de Sillan cerca de Chiclayo. Estos sitios nos demonstraban que la historia precolombiana esta aunque poco conocido muy interesante. Un centro de la cultura humana en America Latina.

Desde la frontera ecuadoriana el desierto nos parece terminado. Nos encanta de ver la fertilidad immensa que cambia las colores del paisaje de gris/maron a todos formas de verde.

Despues de haber llegado a Quito buscamos ahora la posibilidad mas economica del transporte a Panama. Esperamos que podemos seguir el viaje mientras una semana en PanamaCity.

Hasta luego.


Mit Ruecksicht auf meine koerperliche Verfassung entschieden wir uns fuer den CDU-Slogan aus Adenauers Zeiten "Keine Experimente" und fuer die asfaltierte Panamericana an der pazifischen Kueste entlang. Klingt langweilig, war es aber ganz und gar nicht. Nun gut, fahrerisch ist das Ganze kein Thriller, wenn man immer wieder ueberlegen kann, ob sie sich hinten am Horizont wirklich treffen, die linke und die rechte Strassenseite. Dann muss man lediglich geradeaus fahren koennen. Fuer meinen laedierten Gesamtzustand war das gerade die richtige Anfaengeruebung. Und ueber Mangel an Bewunderern brauchte sich unsere Diva auch hier nicht zu beklagen.



Was die Reise spannend machte, sind die vielen Zeugnisse vergangener Kulturen. Man faehrt duch eine aeusserst spannende Kulturlandschaft. Sozusagen von einem Nildelta ins naechste. Warum das so ist, ist schnell erklaert.

Der ganze Kuestenguertel am Pazifik entlang von Chile herauf bis Ecuador ist eines der trockensten Wuestengebiete dieser Erde. Die Wolken regnen sich in den dahinterliegenden Gebirgszuegen ab. Ueberall dort, wo dieses Wasser die Kueste erreicht, sei es als Flusslauf oder aufgrund von Bewaesserungsanlagen, sind ueberaus fruchtbare Landstriche entstanden.
Sie werden noch heute wie vor zwei-, dreitausend Jahren intensiv genutzt. Das nachfolgende Bild mit einer Oase im Vordergrund und Wuestengebirge mit Nasca-Linien im Hintergrund ist typisch.



Wir haben - noch von Nasca aus - ein solches Tal besucht und es ist mir wie ein Paradiesgarten in Erinnerung geblieben. Die Krankenschwester Alcira hatte uns auf ihre chacra (kleiner Bauerhof) eingeladen. Auf dem nachfolgenden Foto steht sie in der Mitte zwischen ihrer Mutter und Tochter.



Zweieinhalb Stunden fuer 30 Kilometer an einem Flussbett entlang, dann ein kleiner Fussmarsch und eine abenteuerliche Flussueberquerung.



Auf den praeinkaischen Terassenfeldern, die wie seit Hunderten von Jahren mit dem Flusswasser bewaessert werden koennen, wird alles an Obst und Gemuese angebaut, was man sich nur vorstellen kann. Unsere Besichtigung war wie ein Spaziergang durch einen Delikatessenladen fuer Obst und Gemuese. Hier eine Chirimoya ernten, dort ein Stueck Zuckerrohr knabbern, eine Nispera probieren, eine Maracuya ausschluerfen, gucken, ob die Banaenstauden schon reif sind, Suesskartoffeln zum Mittagessen mitnehmen.



Das alles ist wunderbar genug. Am meisten hat mich jedoch etwas anderes beeindruckt. So lange Wasser - man muss es fett drucken, denn das ist die alles entscheidende Frage - da ist, kann man das ganze Jahr ueber saeen und ernten. Wenn die Kartoffeln zur Neige gehen, steckt man neue in die Erde und wartet 10 Wochen, bei Bohnen und Tomaten geht es schneller, frisches Obst gibt es an 365 Tagen im Jahr. Wie den Sonnenschein. Schon beim Abschied wusste ich, dass es fuer mich ein unvergesslicher Tag werden wuerde.



Dreitausend Jahre zurueck entwickelten sich in diesen fruchtbaren Taelern aus Jaegern und Sammlern sesshafte Ackerbauern mit fortschreitenden gesellschaftlichen Strukturen.Es kamen Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie die Entwicklung neuer Berufszweige. Zum Beispiel des Kunsthandwerks, wie es der Ohrschmuck in dem folgenden Bild beweist.



Gleichzeitig bildeten sich strenge hierarchische Ordnungen und Machtmonopole.Die hausgemachten Religionen gewannen an Bedeutung und bestimmten bald das taegliche Leben. Mit immensem Aufwand wurden immer groessere Tempelanlagen, vorzugsweise Pyramiden, gebaut. Um die Goetter gnaedig zu stimmen, wurden ihnen Opfergaben dargebracht. Bei wichtigen Anlaessen auch Menschenopfer - ohne wie bei uns den Umweg ueber Hexenprozesse zu nehmen. Das urspruengliche Ziel von Religion, den Menschen, uns, bei der Sinnsuche zu helfen, geriet in den Hintergrund. Alleinbestimmend wurde die Aufgabe, die geschaffene Ordnung als Willen der Goetter darzustellen und mit dem ueberirdischen Segen abzusichern. Es entstand das, was wir eine Hochkultur nennen.

Was mich daran fasziniert, sind die vielen Parallelen, die einem durch den Kopf gehen.

Warum muss bei uns Menschen immer Ueberirdisches herhalten, wenn es um irdische Machtfragen geht? Und warum fallen wir imm er wieder darauf herein? Das war vor ca. 2000 Jahren bei den Gottkoenigen von Chan Chan, 450 km noerdlich von Lima, nicht anders als bei dem Roemerkaiser Augustus. Und auch nicht anders in der Jetztzeit bei den deutschen Fuerstenhaeusern, die noch im 1.Weltkrieg die Tapferkeitsauszeichnungen als "Fuersten von Gottes Gnaden" verliehen. Wie es in einer Urkunde meines Grossvaters heisst. Von der GoettlichenVorsehung im 3. Reich ganz zu schweigen.

Warum spielt Gold seit Beginn der Menschheitsgeschichte bis heute ueberall auf der Welt eine so ueberragende Rolle?

Die Chan Chan-Koenige horteten Unmengen davon und liessen sich damit beerdigen. Dann kamen die Incas und verschleppten das Gold nach Cusco, wo es von den Spaniern geraubt, nach Europa verschifft und dort unter anderem in die Taschen der damaligen Kreditgeber, der Fugger und Welser, floss. Also ist das Gold heute in Augsburg. Nein, ist es natuerlich nicht, sondern in Fort Knox oder bei Dagobert Duck in seiner Schwimmhalle. Wenn es nicht als Ring, Kette oder sonst in irgendeiner Form an den Extremitaeten eines jeden von uns herumhaengt.

Ist es das Gold tatsaechlich wert oder liegt es an unserer Unfaehigkeit, uns davon zu emanzipieren und Werte zu schaffen, die weitaus wichtiger sind ? Gold ist schliesslich nur das, was wir daraus machen. Gut, es rostet nicht und kann ganz gut aussehen, wie es eine Kette aus Chan Chan zeigt. Aber ohne unsere Wertschaetzung waere es gar nichts.



Ich weiss auch nicht, warum Karl Marx so lange warten musste, bis er uns die Augen ueber die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten geoeffnet hat. Er haette seine Feststellungen auch schon bei den Aegyptern oder an der pazifischen Kueste treffen und vielleicht den ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf amerikanischem Boden ausrufen koennen. Das haette hier vor zweitausend Jahren genauso wenig funktioniert, aber uns waere eine Menge Unsinn erspart geblieben.

Und ganz problematisch wird es bei den in allen Kulturen verbreiteten Vorstellungen ueber ein Weiterleben nach dem Tod. Sieht man einmal von dem in meinen Augen einzigen realistischen Bericht ab, den wir Ludwig Thoma mit seinem Bayern im Himmel verdanken, ist alles, was es sonst zu diesem Thema gibt, schwer zu glauben.

Am wenigsten ueberzeugend sind die in dieser Gegend sehr zahlreichen Mumienfunde. Es handelt sich um in grauer Vorzeit Verstorbene, die von ihren Angehoerigen im festen Vertrauen auf eine baldige Wiederbelebung mit allem versehen wurden, was der Mensch braucht. Das heisst, Kleidung, Decken, Schmuck, Hausgeraete, Werkzeuge und genuegend zu essen. Wenn es eine wichtige Person war, brauchte sie mehr. Naemlich zusaetzlich Waechter, Kinder, Tiere, junge Konkubinen usw.. Beim Aufwachen sollte sie wie bei Dornroeschen einen kompletten Hofstaat um sich finden

Mir tun diese Mumien leid, wie sie so dahocken. Ich habe viel Mitgefuehl mit ihnen, sind sie doch ihre eigenen Zeugen dafuer, dass sie sich geirrt haben. So wie sie sich ihre Wiederauferstehung gedacht haben, hat sie offensichtlich nicht funktioniert.



Hoffentlich klappt das bei mir eines Tages besser. Nicht, dass ich dann auch in einem Museum sitzen muss, in diesem unvorteilhaften Zustand, die Touristen glotzen mich an und werden darueber belehrt, dass es sich um die fuer Motorradfahrer damals typische Hang-off-Haltung handelt, mit der der Verstorbene im Himmel noch ein Stueck schneller sein wollte als auf Erden.

Auf der Fahrt nach Lima machten wir Station in einer typischen Wuestenoase, in der man eher Ali Baba und die vierzig Raeuber als peruanisches Landleben erwartet. Tatsaechlich war diese Oase ein heiliger Ort der Incas, von denen sie ihren Namen behalten hat. Huacachina.



Die nachfolgenden Bilder von Inseln bei Paracas/Pisco zeige und kommentiere ich auf Wunsch der besten aller Sozias.



Das Foto zeigt Seeloewen mit ihren Gespielinnen. Wie sie aus dem Wasser an Land gleiten, sich in der Sonne raekeln und sich reckend, streckend ihrer Damenwelt praesentieren.



Dies zweite Bild zeigt eine Bucht, in die sich die Muetter mit ihren Jungen gefluechtet haben, um sie in liebevoller Fuersorge grosszuziehen. Geschuetzt vor den groben, voellig unsensiblen Seeloewenvaetern, die auf die junge Brut keine Ruecksicht nehmen und ihre maennlichen Nachkommen totbeissen, um vor Konkurrenz sicher zu sein.

Das Bild, das ich an dieser Stelle gern gezeigt haette, gibt es leider nicht. Das Bild eines ueber 80 Jahre alten, schwarzen Gitarrespielers. Vor der Abfahrt zu den Seeloewenfelsen hatte ich ihn in einem Hafenrestaurant entdeckt. Es hatte eine Weile gedauert, bis ich anfing zuzuhoeren. Jazz-Melodien, eine unheimlich weiche, klangvolle, alte, jung gebliebene Maennerstimme. Buena Vista Social Club, nur unentdeckt, allein in einer Ecke. Ein Nachfahre der schwarzen Sklaven, die von den Spaniern in grosser Zahl waehrend der Kolonialepoche nach Lateinamerika gebracht wurden. Sie sind heute Teil der lateinamerikanischen Bevoelkerung und leben vornehmlich in den nach ihrer Freilassung gewaehlten Siedlungsgebieten. Als das Touristenboot zur Abfahrt laeutete, haette ich bleiben sollen. Was sind schon Seeloewen. So habe ich nur eine Kassette von ihm mit einem handschriftlichen Inhaltsverzeichnis der von ihm gesungenen Lieder.

Lima hat 8 Millionen Einwohner, eine riesige Ausdehnung mit sehr unterschiedlichen Stadtvierteln. Natuerlich sind die meisten arm. Und leider auch unvorstellbar dreckig. Aber es gibt auch Stadtviertel, wie Miraflores, die an Europa erinnern.
Angenommen nur 5 % der Bevoelkerung von Lima waeren nach peruanischen Verhaeltnissen einigermassen wohlhabend - m.E. eine realistische Schaetzung - , schon das waere eine Stadt mit 400 000 Einwohnern.



Lima hat eine Sehenswuerdigkeit, das ist sein Verkehr. Wer Paris, Rom , Neapel kennt, hat verkehrsmaessig bisher wenig gesehen. Alles Pille Palle. Buenos Aires, Santiago, La Paz haben schon einiges mehr zu bieten. Aber Lima ist einsame Spitze. Die Gesetzmaessigkeiten sind einfach und schnell erklaert.

Zwei Drittel bis drei Viertel des Verkehrs bestehen aus Taxis und Bussen jeder Groessenordnung. Andere oeffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht. Alle kaempfen miteinander um jeden einzelnen Fahrgast. Dieser kann an jeder beliebigen Stelle zu jedem Zeitpunkt ein- und aussteigen. Natuerlich gibt es auch Haltestellen, aber sie scheinen von untergerordneter Bedeutung. In dem Existenzkampf um Fahrgaeste gewinnt derjenige, der nach dem Ein- bzw. Aussteigen in der ersten, zweiten, manchmal auch dritten Spur am schnellsten wieder links an allem vorbeidonnert, bevor er als letzter bremsend wieder rechst als erster am Fahrbahnrand erscheint. Das machen alle ueberall und ununterbrochen. Sicherheitsabstand ist ein Fremdwort, Fastberuehrungen sind die Regel. Scheinwerfer und Blinklichter gelten als zulaessige Knautschzone und fehlen, obwohl gittergeschuetzt, recht haeufig. Wer die Stossstange vorn hat und hupt, darf alles, insbesondere mitleidlos ausbremsen, was rechts oder links dahinter ist.

Drei Minibusfahrer habe ich in besonderer Erinnerung behalten. Erstens den Choleriker, der sich wie ein Berserker durch den Verkehr wuehlte und dabei mit seiner freien linken Hand aus dem Fenster heraus auf alles schlug, was in seiner Naehe war. Als zweites den Gockel, an den sich eine glutaeugige Peruanerin herangemacht hatte. Bei 16 bis 18 Sitzplaetzen in einem VW-Bus-grossen Minibus kein grosses Kunststueck. Waehrend ihr Ellbogen in seine Seite drueckte, zeigte er ihr alle fahrerischen Kunststuecke, zu denen er faehig war. Mir war bei dieser Fahrt gar nicht wohl, weil ich schon von den heimischen Hirschen weiss, wie kopflos sie sind, wenn es in der Brunftzeit ums Ganze geht. Und als dritten werde ich den Meister nicht vergessen. Unheimlich schnell, fluessig und ruecksichtslos. Einfach souveraen, ein Kuenstler. Sein Bus war offensichtlich dort frisiert, wo es am wichtigsten ist: Motor, Bremse und Hupe. Zwischen zwei Ampeln beschleunigte er auf ueber 80, bremste sich als letzter in Luecken hinein, die keine waren, machte links und rechts die Tueren zu (Rennfahrerjargon fuer "Luecken schliessen") und war als erster wieder am Strassenrand. Unterstuetzt von einem genialen Beifahrer fischte er dort die Fahrgaeste auf, bevor die anderen nur mit der Wimper zucken konnten. Es war ein Vergnuegen und ich bedauerte es, als ich aussteigen musste.

Als deutscher Motorradfahrer muss man in diesen Verkehrsverhaeltnissen umlernen. Mit dem vertrauten defensiven Fahrstil bringt man die ganze peruanische Verkehrssystemastik durcheinander und gefaehrdet am Ende nur sich und andere. Sicherheitsabstaende koennen gefaehrlich werden, wenn gleich mehrere auf einmal hineinstechen. Die beste aller Sozias gab mir den richtigen Tip, endlich meine Spezialhupe von POLO zum Einsatz zu bringen. Beim Beschleunigen, beim Bremsen, beim Linksabbiegen, beim Rechtsabbiegen, beim Geradeausfahren immer hupen und reinhalten. Es bewirkte Wunder. Das Verkehrsgewuehl fing an, mir Spass zu machen. Endlich hatte ich begriffen, wie es ging. Irgendwann wurden Gaby meine Lernfortschritte allerdings zu viel und sie war froh, als wir aus Lima wieder draussen waren.

Natuerlich haben wir dort sehr viel mehr erlebt als nur den Verkehr. Aber drei Tage lang hat uns der Verkehr besonders gepraegt, als wir versuchten, den von SCHUBERTH mir neu zur Verfuegung gestellten und an die Botschaft geschickten Helm aus dem Flughafenzoll zu bekommen.

Manchmal erlaubt sich die Wirklichkeit Uebertreibungen, die man einer phantasievollen Geschichte nicht abnehmen wuerde.

Nach dem Besuch bei der Botschaft waren wir mit den Versandpapieren quer durch die Stadt zum Paketdienst UPS gefahren. UPS schickte uns wieder zurueck, weil sie fuer die Aushaendigung des Helms eine Beglaubigung der Botschaft benoetigten. Wieder auf dem bewachten Gelaende vor der schusssicheren Pfoertnerloge klaerte uns eine Verwaltungsangestellte auf, sie haette uns schon zurueck erwaertet. Mit diesen Unterlagen allein koennten wir den Helm niemals bekommen. Warum wir den Helm an die Botschaft haetten schicken lassen. Die Botschaft sei fuer Motorradhelme nicht zustaendig. Wenn in Reisefuehrern die Botschaft als Versandadresse gennannt sei, sei das ein Fehler. So etwas wie eine Beglaubigung stelle die Botschaft grundsaetzlich nicht aus. Wenn wir darauf bestuenden, muessten wir die Angelegenheit mit dem Kanzler besprechen.

Jetzt kommt Original, unsere Beitraege sind mit ........... gekennzeichnet. "Fuer ein Gespraech mit dem Kanzler brauchen Sie einen Gespraechstermin." ............"Nein, das geht nicht. Den Gespraechstermin muessen Sie vorher telefonisch vereinbaren."........"Natuerlich arbeitet der Kanzler hier. Aber ob er heute da ist, kann ich nicht sagen. Am besten, Sie versuchen es selbst am Telefon."............ "Nein, von hier aus koennen Sie nicht mit dem Kanzler telefonieren. Das geht fuer Sie nur ueber eine oeffentliche Telefonzelle. Die haben wir hier nicht."................ " Rufen Sie ihn doch von Ihrem Hotel aus an oder suchen sich draussen eine Telefonzelle.".............."Ich erklaere es Ihnen noch einmal. Eine telefonische Terminvereinbarung mit dem Kanzler ist von hier aus nicht moeglich."

Schliesslich wurden wir doch in das schusssichere Wartezimmer eingelassen. Und nach diesem Vorspiel begann unsere dreitaegige Verwaltungsaffaere. Wer jetzt von mir Entruestung, Haareraufen, Fussstampfen, Vogelzeigen oder aehnliches erwartet, den muss ich enttaeuschen. Sowohl und besonders die Deutsche Botschaft in Lima, ich betone das ausdruecklich, als auch die peruanischen Dienststellen sind am Ende ueber alle Schatten gesprungen. Bereits innerhalb von drei Tagen konnten wir den als unbegleitetes Reisegepaeck deklarierten Helm in Empfang nehmen.
Viele Leute, die etwas davon verstehen und fuer ihre eigenen Angelegenheiten mehr Zeit investieren mussten, haben uns zu diesem Erfolg gratuliert.
Ueber die immer am Anfang stehenden und offensichtlich internationalen Verwaltungsreflexe "Nein, das geht nicht.", "Wir sind nicht zustaendig." und "Sie haben das und das falsch gemacht." kann ich hinwegsehen. Die beste aller Sozias sollte das auch lernen.

Ueber Trujillo, Chiclayo, Piura erreichten wir vor 5 Tagen bei Tumbes an der pazifischen Kueste die Grenze nach Ecuador. Das allgemeine Chaos an diesem Grenzuebergang, an dem sich der gesamte Grenzverkehr durch eine einspurige Marktstrasse quaelt, hat unbeschreibliche Ausmasse. Das Feilschen um Touristentrinkgelder ebenfalls. Je nach Zustand des Nervenkostuems nimmt man es als entwicklungslandtypisch hin oder flucht darueber. Nachdem die Grenzer festgestellt hatten, dass man Gaby bei der Einreise nach Peru ein falsches Visum erteilt hatte, mussten wir Strafe zahlen und fluchten.

Es ist ein Wechselbad der Gefuehle, das man in Entwicklungslaendern immer wieder erlebt. Wer das nicht kennt bzw. nicht wahr haben will, macht sich etwas vor. Auf der einen Seite stehen viele Unertraeglichkeiten, die einem wirklich den letzten Nerv rauben koennen. Auf der anderen Seite sind es die Waerme und Herzlichkeit in vielen Begegnungen oder auch nur Natur und Landschaft, die einen begeistern. Wie wir begeistert waren von der beginnenden Tropenwelt mit ihrer ueberbordenden Fruchtbarkeit nach den monatelangen Wuestenbildern. Die abgebildeten Bananenstauden wurden nur am Stueck verkauft. Fuer umgerechnet knappe zwei Mark.



Nun sind wir in Quito und werden in einigen Tagen nach Panama weiterfliegen. Wenn alles gut geht, ist der naechste Bericht irgendwo aus Zentralamerika zu erwarten.

P.S.
Zum ersten Mal seit meiner Berichterstattung gibt es ein PS. Es betrifft eine private Hilfsinitiative in Nasca, die mich sehr beeindruckt. Die Einrichtung "Pachamama", gegruendet von der deutschen Nicky Muegge-Bruckert, will Waisenkindern und Kindern besonders armer Familien verbesserte Zukunftsperspektiven eroeffnen, notleidende Familien in und um Nasca unterstuetzen und Hilfe leisten bei der medizinischen Versorgung dieser Region.

Wir haben bei einem Besuch Leben und Arbeit dieser Einrichtung kennen gelernt



Bei einem Erdbeben vor 5 Jahren wurden grosse Teile von Nasca und auch die Gebaeude dieser Einrichtung zerstoert. Der Wiederaufbau ist weit vorangeschritten, so dass die neuen Gebaeude in Kuerze bezogen werden koennen.



Nach allem, was ich gesehen habe, bin ich davon ueberzeugt, dass dort eine gute Arbeit, naemlich "Hilfe ohne Umwege", geleistet wird. Wenn ich auch mit unserem heutigen Bundespraesidenten oft genug nicht einig bin, so doch in seiner Anerkennung dieser Arbeit, wie sie in einer Plakette festgehalten ist.



Ich wuerde mich freuen, wenn sich auf diesem Weg neue Freunde fuer "Pachamama" finden, die sich fuer ihre Arbeit interessieren:

Asociacion Pachamama e.V.
Postfach 1131
61477 Glashuetten/Ts.







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