5. Teilbericht 3. Etappe

aus La Paz, Hauptstadt Boliviens in 3700 m Hoehe, nach knapp 4 Monaten Reisezeit und ca 17 000 km Strecke.

Alle , die schon auf eine Fortsetzung der Reiseberichte gewartet haben, sollen Ihre Beschwerden an Montezuma richten, dessen Rache mich in La Paz fuer mehrere Tage niedergestreckt hat. Ich erspare mir Einzelheiten des Krankheitsbildes. Nur soviel. So asketisch, wie ich jetzt aussehe, bin ich in Wirklichkeit gar nicht.

Apropos Aussehen. Viele Tagebuchleser haben um ein Foto von mir gebeten. Hier ist es. Der Autor nach seiner Ankunft am Lago Chungara kurz vor der bolivianischwen Grenze (s.u.) . Zwischen seinen chilenischen Freunden Carlos und Efrain.



Die Gesichtsmaske ist gegen die Kaelte auf 4500 m. Hoehe.

Seit dem letzten Bericht ist bekannt, dass eine Einreise nach Bolivien auch in die Hose gehen kann. Nun ist sie mir im zweiten Anlauf gelungen. Von Calama ueber Tocopilla an der Pazifikkueste nach Norden ueber Iquique, Arica, dann nach Osten hoch in die Anden, ueber Putre und hinter dem Lago Chungara ueber die Grenze nach Oruro. Von dort ging die Fahrt dann weiter ueber Potosi, Sucre, Cochabamba nach La Paz.

Diejenigen, die ueber einen tlas verfuegen, werden sich jetzt sagen."Meine Guete, immer nur Hauptstrassen.". Recht haben sie. Nur dass hier die Hauptstrassen oft genug nur einspurige Pisten mit Kiesgrubencharakter sind. Die in der Regenzeit immer wieder geschlossen werden muessen, weil Bergrutsche ueber sie hinweggegangen sind oder Fluesse sie weggerissen haben. Von weggeschwemmten Bruecken und unpassierbaren Flussdurchfahrten ganz zu schweigen.

So hat zum Beispiel 10 Tage, nachdem ich von Arica an der Pazifikkueste aus in die Anden aufgebrochen bin, ein Unwetter die Bruecken auf dieser Strecke mitgenommen. Diese einzige, ordentlich ausgebaute und fuer den Lastverkehr geeignete Verbindung Boliviens zum Pazifik ist nun bereits seit einigen Tagen unterbrochen. Bei der Strecke Sucre - Cochabamba war es knapper. Da haben nur 2 Tage gefehlt und der Rio Chico - im nachfolgenden Foto 48 Stunden vorher - haette unsere Reiseplaene versenkt.



Auf der Strecke Cochabamba - La Paz waere uns 36 Stunden nach unserr Durchfahrt ein halber Berg auf den Kopf gefallen. So sind wir nur durch Schneematsch gefahren. Aber alles der Reihe nach. Erst einmal kommt wieder die spanische Zusammenfassung.

Resumen despues de 4 meses de viaje y 17 000 kilometros recorridos de La Paz/Bolivia

El triunfo del barro sobre el embrague - la aventura mas importante del ultimo resumen - no era largo. Despues dos dias los repuestos necesitados llegaron de La Serena y dos horas mas tarde la moto era reparado. Gracias a Vitorio Pelemonte, el gerente de la Hydraulica Calama S.A., qui organizo los repuestos y qui reparo el embrague, puse seguir en mi viaje despues algunos dias. Gracias tambien a Tonino Moto en La Serena por los repuestos inmediatamente enviados.

Desde la reparacion de la moto hastya hoy he hecho mas que 2000 kilometros en parte en carreteras muy malas. El embrague trabaja correctamente. Claro, cuando veo barro de lejos, me paro y llevo a cuestas mi moto los proximos kilometros. Una vez era bastante.

Desde Calama me fue a Tocopilla a la costa pacifica.. Despues pasando por Iquique y Arica a la frontera boliviana. Antes de llegar a La Paz he visitado Oruro, Potosi, Sucre y Cochabama.

El invierno boliviano en este aņo esta muy fuerte.En todo el pais hay inondaciones causados par temporales con mucha lluvia. Las destrucciones estan grandes. Hay numerosos fallecidos.

Bien que las condiciones rutieras estan a menudo lamentables, afortunadamente las inundaciones peligrosas siempre llegaron despues de nuestras salidas. Arica era completamente aislada 10 dias despues de mi salida. La carretera (de tierra) de Sucre a Cochabamba era suspendida dos dias despues de nuestra pasada, y la carretera de Cochabamba a La Paz tambien, solamente 36 horas despues que fuimos alla.

Que me ocupa lo mas en Bolivia esta el problema de la pobreza de la mitad de la sociedad. Una pobreza que en Chile o en Argentina no se encuentra. No me parece una causualidad, que esta mitad de la sociedad boliviana esta representade par la gente indigena.

La liberacion de los espaņoles y la fundacion de los estados latinamericanos tiene hasta hoy una importancia muy grande en la consciencia politica.. Me pregunto si eso esta lo mismo para la gente indigena y me dudo. Tengo la impresion, que para ellos solamente los nombres y las caras de los autoridades se han cambiado. Y nada mas.

No veo visiones politicos, planes realistas, como los diferentes sociedades, hispano-criolla, mestiza y indigena, pueden vivir conjuntos en un equilibrio cultural, economico y politico. Todos con posibilidades iguales del desarollo personal. A mi opinion - la humanidad a parte - que imprudencia solamente de punto de vista economica. Las enormes diferencias entre una vida buena y la pobreza estan una forma de violencia que debe provocar formas de contraviolencia que finalmente cuestan demasiado, seran inpagables, sobre todo para paises en desarollo. Tengo miedo que las formas de contraviolencia de hoy, el narcotrafico y la criminalidad no estan el fin, pero el principio de que va suceder en el futuro.

Bueno no puedo cambiar al mundo. Pero pensar de estos problemas me ayuda de comprender mejor que veo y de me sentir mejor durante este viaje.

Desde La Paz iremos pasando al Lago Titicaca a Ayacucho/Peru, donde esperamos a Gaby qui va volver de Alemania para acompaņar nos en nuestra viaje hasta Alaska.

 

Achtung. Hier geht es auf Deutsch weiter. Vielen Dank fuer die Geduld.

Mein letzter Beicht endete damit, dass ich mit dem Mut der Verzweifelung das Moto auseinandergeschraubt hatte, auf dem Werkshof der Hydraulica Calama S.A..

Der Rest ist schnell erzaehlt. Die benoetigten Kupplungsscheiben wurden abgezeichnet und als Fax zu Moto Tonino nach La Serena geschickt. Der Zeichnung entsprechend schienen Kupplungsscheiben fuer eine Honda XT 250 von 1995 zu passen, die vorraetig waren. 2 Tage spaeter waren sie da, wurden eingebaut und die ganze Kiste wieder zusammengeschraubt. Dass am Ende keine Schraube uebrigblieb, war ein gutes Zeichen. Inzwischen hat die Kupplung schon wieder knapp 2000 km - zum Teil schwierigste Strecke - hinter sich. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdruecklich bei Vitorio Pelemonte, dem Direktor der Hydraulica Calama S.A., der - ohne einen Moment zu zoegern - mir sofort geholfen hat. Und ohne dessen Unterstuetzung ich es sicherlich nicht geschafft haette. Unser Deal waehrend der Zeit unserer Zusammebnarbeit war, er lernt von mir deutsche Flueche - immer wenn Schrauben oder Finger klemmten bzw. geklemmt wurden - und ich bekomme von ihm ein Diplom als Kupplungsmechaniker.

Waehrend der Wartezeit in Calama habe ich die groesste Kupfermine der Welt, Chuquicamata, besucht. Ein inzwischen 3 km breites, 3 km langes und 800 Meter tiefes Loch, in dem kupferhaltiges Gestein abgebaut wird.



1 Tonne Gestein enthaelt 10 kg Kupfer. Die Jahresproduktion in Chuquicamata betraegt 600 000 Tonnen Kupfer. Wer ueber die 4 Grundrechenarten verfuegt, kann schoene Zahlenspiele anstellen. Wer in der Schule nur noch Taschenrechnen gelernt hat, kann es meinetwegen auch damit versuchen. Zum Beispiel: Wieviel Gestein muss abgebaut werden, um die Jahresmenge Kupfer zu erreichen? Oder, wieviel Abraum muss jaehrlich zur Seite geschafft werden, wenn das Kupfer draussen ist? Was bedeutet das taeglich bei 365 Arbeitstagen im Jahr bzw. stuendlich bei einer Arbeitszeit rund um die Uhr?

Den Transport uebernehmen Speziallaster mit 3.80 m hohen Reifen, die pro Minute 2 Liter Diesel verbrauchen und 24 Stunden im Einsatz sind.



Der stuendliche Elektrizitaetsverbrauch ist so hoch, dass man damit den Bedarf von Santiago Zentrum fuer 14 Tage decken koennte.

Bei dem Blick in die Grube kam mir das wie der umgekehrte Turmbau zu Babel vor. Aber die guten, alten Zeiten, in denen so was schiefgegangen waere, sind vorbei. Heute rechnet sich das.

Von Calama aus ging es zurueck durch die Atacama-Wueste nach Tocopilla zum Pazifik und an ihm entlang ueber Iquique nach Arica. Beide Hafenstaedte leiden darunter, dass ihnen das natuerliche Hinterland, naemlich Bolivien, fehlt, zu dem sie frueher gehoerten. Zwei Anmerkungen dazu:

Erstens. "Hinterland" ist heute offenbar ein internationales, deutsches Wort wie "Kindergarten" oder "Rucksack". Ich kenne es aus der Zeit der Teilung Deutschlands und habe es nun in einem Zeitungsartikel ueber die Entwicklungschancen dieser beiden Stadte wiedergefunden.

Zweites: Unter Pinochet wurden in diesem Grenzabschnitt Antipersonenminen gelegt, um irgendwelche Aenderungswuensche im Keim zu ersticken. Sie liegen da heute noch, Warnungsschilder weisen darauf hin. Anstatt dass die lateinamerikanischen Staaten miteinander kooperieren, um zumindest etwas an Gewicht gegenueber den USA zu gewinnen, machen sich diese Wirtschaftszwerge auch noch gegenseitig das Leben schwer. Bescheuerter geht nicht.

In Arica waere ich gerne laenger geblieben. Eine verhaeltnismaessig gepflegte kleine Hafenstadt mit schoenen Straenden, ansprechender Atmossphaere und ewigem Sommer, wie sie versprechen.



Aber Marc, der vorausgefahren war, wartete auf mich bereits am Lago Chungara vor der bolivianischen Grenze. Ein malerischer See mit Flamingos und Llamas im Vordergrund



und umgeben von schneebedeckten Vulkankegeln im Hintergrund.



Am naechsten Tag war endlich Bolivien erreicht. Von der Grenzkontrolle an war es ein Eintritt in eine neue Welt, ganz und gar verschieden von dem, was wir bisher erlebt hatten. Noch viel weiter von europaeischen Standards entfernt als die Lebensverhaeltnisse in Chile oder Argentinien.



Zum Glueck ist dies keine wirtschafts- oder sozialpolitische Abhandlung, sonder ein Reisebericht ueber unsere Erlebnisse. Und darauf will ich mich dann auch, so gut es geht, beschraenken.

Schon an der Grenze sah es wie auf dem vorausgegangenen Foto aus, mit auf dem Boden hockenden Indiofrauen, die den Reisenden Selbstgekochtes oder Selbstgebackenes anbieten. Einem der vielen Grenzbeamten mit undefinierbaren Aufgaben musste jeder von uns 5 Bolivianos bezahlen, ohne dass wir entgegen unserer Bitte hierfuer irgendeine Art Quittung erhielten. Das Geld verschwand in einer Schublade. 5 Bolivianos sind ungefaehr 1.70 DM. Also, was solls. Aber in Chile und Argentinien waere so etwas nach unseren Erfahrungen undenkbar gewesen.

Bei den Strassenbenutzungsgebuehren, die selbst dann erhoben werden, wenn eigentlich eine Entschaedigung angebracht waere, machten wir aehnliche Erfahrungen. Zunaechst zahlten wir Autogebuehr. Spaeter nach einer Diskussion darueber, dass ein Moto nur zwei und nicht vier Raeder hat, zahlten wir nur noch die Haelfte. Nach dem wir einmal gebuehrenfrei durchgewunken worden waren und auf die Frage bei der naechsten Zahlstelle, was sein Kollege von uns verlangt haette, wahrheitsgemaess mit "Nada" antworteten, brauchen wir nun gar nichts mehr zu bezahlen.

Alles Kleinigkeiten. Aber wer sich einmal fuer die Ordnungsmaessigkeit des Haushaltswesens im oeffentlichen Dienst eingesetzt hat, der kann in diesen Verhaeltnissen schon leicht ohnmaechtig werden.

Die erste grosse Stadt in Bolivien, Oruro, in der wir uebernachteten, zeigte uns bereits, dass Bolivien ein armes und ein chaotisches Land ist. Zwar standen in dem gesicherten Innenhof unseres "Hotels" (Die Anfuehrungszeichen stehen fuer die sanitaeren Verhaeltnisse. Zu mehr als Zaehneputzen habe ich mich nicht ueberwinden koennen.) teure 4-Rad-getriebene Gelaendewagen von einigen wenigen Wohlhabenden, aber draussen sah alles ganz anders aus.

Wir wohnten an einer der Hauptstrassen, auf der sich wie auf allen anderen Strassen soviel Dreck, Staub und Abfall anhaeuft, wie man es nicht fuer moeglich haelt. Die Strasse selbst und die Gehwege sind eher ein Hindernisparcour. Fahrzeuge - mindestens zwei Drittel Kleinbusse und Taxis - und Menschen fahren und laufen durcheinander. Reste von Vorfahrtsregeln gelten nach dem Prinzip, wer zuerst hupt, faehrt zuerst, an jeder Kreuzung, alle. Dazwischen jede Menge Polizisten, die nur dann nicht trillerpfeifen, wenn sie gerade Luft holen. Dabei darf man sich das Ganze nicht schnell, sondern nur im Schritttempo vorstellen, einfach weil das Tohuwabohu keine hoehere Geschwindigkeit zulaesst. Und dazu kein Hauseingang, keine Ecke, kein freies Plaetzchen, an dem nicht Indiofrauen mit ihren Kindern bis ungefaehr zum vierten Lebensjahr hocken und irgendetwas zu kaufen anbieten, waehrend die aelteren Geschwister bereits versuchen, als Bettler, Busausrufer, Schuhputzer, Kaugummi-, Streichholz- oder Sonstwas-Verkaeufer sich und ihre Familie ueber Wasser zu halten.

Das Preisniveau in Bolivien ist sehr niedrig. In einfachen Gaststaetten ist ein kraeftiges Essen fuer 2 bis 3 Mark zu bekommen. Aber die Armut - nach Zeitungsartikeln leben ueber 60 % in diesem Bereich - , insbesondere die Armut der Indios, die ungefaehr 50 % der Bevoelkerung ausmachen, ist viel groesser.

Dies ist zwar ein Reisebericht, aber es muss raus.

Seit der Niederwerfung durch die Spanier hat sich das Los der Indios bis heute nicht wesentlich geaendert. Niederwerfung und Kolonialzeit waren unvorstellbar grausam. Nach vorsichtigen Schaetzungen sollen bereits in den ersten hundert Jahren Kolonialzeit nur die Haelfte der Ureinwohner Lateinamerikas ueberlebt haben. Ich nehme diese vorsichtigste Aussage, andere Untersuchungen sprechen von 10 %.

Das Ende der Kolonialzeit, die mit viel Pathos noch heute gefeierte "Liberacion" mit ihren wie Heilige verehrten Freiheitshelden Simon Bolivar, Jose de San Martin, Antonio Sucre und anderen mehr, hat an der Rolle der Indios nichts geaendert. Sie sind, so ist mein Eindruck, nach wie vor die unterworfenen Ureinwohner, ohne Zugang zu Bildung, wirtschaftlicher und politischer Beteiligung. Sie sind die unterste Klasse, eine Klasse fuer sich, aus der es keinen Aufstieg gibt. Ihren Widerstand gegen dieses Schicksal haben sie immer wieder in Streiks versucht, die bis in die heutige Zeit blutigst niedergeschlagen wurden. Wie zu Zeiten Pissaros, des spanischen Eroberers, der wegen seiner Grausamkeit als einmalig galt.

Eine buergerliche Zeitung Boliviens "La Razon" spricht in einem Leitartikel davon, dass " es den Indios aufgrund des Festhaltens an ihrer eigenen Sprache, ihren Gemeinschaftsstrukturen, ihren Sitten und Gebraeuche gelingt, der staendigen Bedrohung des Voelkermords (permanente amenaza de genocidio) durch die Gesellschaft der aus Spanien/Europa Eingewanderten zu widerstehen". Wenn das in einem Leitartikel steht, kann meine eigene Beobachtung nicht so falsch sein.

Die aus Europa stammende und nach Europa ausgerichtete Fuehrungsschicht in Laendern wie Bolivien versagt total in der Frage des Zusammenlebens mit den Ureinwohnern. Hier waechst ein Konfliktpotential an, dass die bitter benoetigte Entwicklung dieser Laender schwer belastet. Die von Jahr zu Jahr zunehmende Gewaltkriminalitaet, die Unregierbarkeit mancher Regionen, Staedte, ja ganzer Laender wie seit Jahren Kolumbien scheint mir nur ein erstes Anzeichen kuenftiger Probleme zu sein.

Unser naechstes Abenteuer auf der Strecke von Oruro nach Potosi hatte dann auch unmitelbar damit zu tun.

Wir fuhren bei schoenem Wetter nichtsahnend auf das letzte Doerfchen der Asfaltstrecke zu, hinter dem es dann auf einer Piste weitergehen sollte. Zuerst begegneten uns Gruppen von Landarbeitern - so gut wie alle Landarbeiter sind Indios - mit Trommeln, Blasinstrumenten und Fahnen. Wir winkten, sie winkten zurueck. Das war lustig. Die naechsten Gruppen reagierten feindselig, traten gegen die Motorraeder, waehrend wir im Schritttempo vorbeirollten, drohten mit Knueppeln. Das war weniger lustig. Und dann war endgueltig Schluss. Vielleicht 500 aufgebrachte Indio-Landarbeiter hatten die Strasse gesperrt. LKW s gezwungen sich so quer zu stellen, dass keiner mehr durch konnte.

Wir stellten die Moppeds ab. Marc blieb zurueck und ich machte mich auf die Suche nach den Verantwortlichen. Von einem der umstehenden, finster blickenden Gestalten wurde ich hingebracht. Junge, intelligent aussehende Leute mt Sprechfunkgeraeten. Strassenblockaden seien in diesem Land eine der wenigen Moeglichkeiten, seinen politischen Willen zu zeigen. Zwei Landarbeiterkollegen haetten bei der Feldarbeit gegen ein Diesel-Gesetz aus La Paz verstossen, seien verhaftet worden und sollten nun auf diese Weise wieder freigepresst werden. Wir muessten Geduld haben, es koenne 2 bis 3 Stunden, aber vielleicht auch laenger dauern. Ich erwiderte, wir wollten als Auslaender ihre Aktion nicht beeintraechtigen. Im Gegenteil, wir haetten alle Geduld abzuwarten, bis sie es fuer richtig hielten, die Aktion zu beenden. Die Mienen erhellten sich etwas. Einige klatschten.

Dann drehte ich mich um und dort, wo vorher Mark mit den Motos gestanden hatte, war nun ein undurchdringliches Menschenknaeuel. Klar, im Grunde ist so eine Strassensperre etwas unheimlich langweiliges. Und wenn es dann etwas zu sehen gibt, rennen alle hin.

Die naechste halbe Stunde haben Marc und ich Blut und Wasser geschwitzt. Entertainment um Kopf und Kragen. Ich habe so gut und einfallsreich Spanisch sprechen koennen wie niemals vorher und wohl auch nie mehr wieder. Eingepfercht in die Menschenmenge - die weiter hinten standen, drueckten nach vorn, um auch etwas mitzukriegen - versuchten wir, alles im friedlichen Rahmen zu halten. Die Stimmung war schwankend, aber zum Glueck fanden die agressiveren Wortfuehrer weniger Beifall und wir konnten langsam Sympathien in der Menge gewinnen.

Und dann hiess es ploetzlich, wir koennten weiterfahren. Wir sollten die Moppeds anlassen. Noch ein Foto, dann Abwinken wie bei der Paris-Dakar. Einer lief vor uns her, um uns einen Weg durch die Absperrung zu zeigen. Keiner drohte mehr. Alle wussten offensichtlich Bescheid, hatten sich untereinander beraten, uns als einzige Ausnahme weiterfahren zu lassen.

Hinter dem Dorf mussten wir erst einmal anhalten. Nichts war weg. Alle Reissverschluesse, Gurte, etc. unveraendert geschlossen. Wie soll ich da ueber die Zurueckgebliebenheit der Indios lamentieren. Im Gegenteil, bedanken muss ich mich, dass sie uns so korrekt behandelt haben.

Es gibt keine Bilder. Wir hatten wirklich andere Sorgen.

Die nachfolgende Piste, ca 120 km, nach Potosi hatte alles, worauf ich gerne verzichtet haette. Richtige Flussdurchfahrten, Lehmfelder, riesige Wasserlachen und unendliche Badewannen. Mehr als 40 km/h waren nicht drin. Lastwagen und Busse, die sehr zahlreich unterwegs waren, kamen ueber 20 km/h nicht hinaus.



In einem kleinen Ort, Ventilla, auf halber Strecke machten wir Mittagspause. Auf dem nachfolgenden Foto ist links im Hintergrund vor dem Lastwagen ein Schlagbaum zu erkennen, an dem die Strassenbenutzungsgebuehr zu entrichten ist. Wir einigten uns mit der 10- bis 12-jaehrigen Hilfskraft der Siesta-machenden Strassenbeamten auf je 4 Bolivianos pro Moto.



Am Ende dieser Strecke, zurueck auf Asfalt fuer die letzten 20 Kilometer, eierte meine Kiste so, als ob Rahmenbruch und platter Hinterreifen zusammengekommen waeren. War aber nicht, nur ein Dutzend Speichen war hinueber. Vielleicht waren die 40 km/h stellenweise doch zu schnell.

Und jezt kommt Potosi, in 4000 m Hoehe neben Lhasa/Tibet die hoechste Grossstadt der Welt. Heute eine Stadt mit ca 120 000 Einwohnern, nach meinem Eindruck in der Mehrzahl Indios. Ueber diese Stadt, die im Mittelalter eine der groessten und reichsten Staedte der Welt war, koennte ich ein eigenes Buch schreiben. Der Reichtum Europas mit seinen Kirchen und kunstschaetzen ist wesentlich von dieser Stadt und ihrem Silberberg, dem Cerro Rico, 4800 m, mit finanziert worden.



In dieser Stadt wurden die Muenzen fuer den damals unumschraenkten Beherrscher Europas, Kaiser Karl V, und seinen Sohn Philipp II, den Erbauer des Escorial, gepraegt, die als Zahlungsmittel in ganz Europa galten.

Das ist alles lange her. Aber es gibt so viele Zeugnisse aus dieser Zeit in Potosi - wie die Moneda, zuerst staatliche spanische Muenzpraegeanstalt bis 1825, dann Muenzpraegeanstalt Boliviens bis 1952 - im folgenden Bild der Haupteingang - dass man gar nicht anders kann, als sich damit zu beschaeftigen.



Wer dem Mittelalter eine konkreten Beuch abstatten will, muss die Besichtigung einer der noch heute aktiv betriebenen Minen im Cerro Rico organisieren. Wir besichtigten die Mine San Juan der Cooperativa "Der schreiende Stein".

Als das Silber des Cerro Rico um 1550 von einem spanischen Moench entdeckt wurde, konnte es zunaechst im Tagebau, dann wenig spaeter nur noch unter Tage und unter unsaeglichen Bedingungen abgebaut werden. Die als Sklaven eingesetzten Indios ueberstanden die Strapazen nie lange. Im Cerro Rico wurden dann ueber Jahrhunderte Edelmetalle abgebaut. Als die Vorkommen erschoepft schienen, vor 20 bis 30 Jahren, zogen sich die Unternehmen bis auf eine aus den USA finanzierten Ausnahme zurueck. Die arbeitslos gewordenen Mineros, alles Indios, bildeten sogenannte Kooperativen und arbeiten heute, insgesamt ca. 8000, jeder auf eigene Rechnung und eigenes Risiko in diesem Berg weiter.

Wie, das sollen die naechsten Bilder zeigen. Wer viel erkennt, hat Glueck, wer fast nichts sieht, ist dafuer der Wirklichkeit sehr viel naeher.

Die ca 300 noch aktiven Stolleneingaenge sehen meistens so aus, gerade gross genug, dass eine Schubkarre mit Gestein ( 100 bis 120 kg) rausgefahren, bzw. Saecke mit Gestein (50 kg) rausgetragen werden koennen. Vor dem Eingang hat jeder Minero seinen eigenenSteinhaufen, den er an Abnehmer zur Weiterverarbeitung verkauft.

Vor Ort. Nach 500 Metern bis 2 Kilometern engster Gaenge, nicht hoeher als einssechzig, manchmal nur einszwanzig, kaum einmal die Moeglichkeit, sich aufzurichten, ueber glitschige Stufen bergauf, bergab, an dunklen, nicht einsehbaren Abgruenden vorbei, ueber Geroell hoch, durch enge Tunnel durch, mal nur ein Loch, auf dem man auf allen Vieren durch muss. Und dann vor Ort. Hier ist alles nasskalt, feucht, schmierig. Der Berg ist durchloechert wie Schweizer Kaese und sinkt in jeder Regenzeit mehrere Meter in sich zusammen. Vor Ort wird mit Hammer und Meissel gearbeitet. Ist eine metallfuehrende Ader entdeckt, so wird Gesteinsbrocken fuer Gesteinsbrocken mit schierer Koeperkraft herausgehauen.

Wenn der Minero mit Hammer und Meissel nicht mehr weiterkommt bzw. neue metallfuehrende Adern gefunden werden muessen, wird Dynamit eingesetzt. Auf dem Foto wird gerade wieder eine Ladung zurechtgemacht. Wir sind dann 20 Meter zurueckgekrochen und haben gewartet, bis es gerummst hat. Der Minero hat anschliessend mit seiner Funzel die Waende abgeleuchtet, ob sich Risse gebildet haben.



Wenn genuegend metallhaltiges Gestein herausgeschlagen worden ist, wird es von einer Hilfskraft - haeufig sind es die Soehne oder Neffen des Minero - in Saecken nach oben geschleppt.

Wenn Gaenge zur Verfuegung stehen, werden die Steine in Schubkarren nach draussen geschuftet.

Die einfach unvorstellbaren Bedingungen sollen durch das Kauen von Kokablaettern leichter zu ertragen sein. Auf mich haben sie gar nicht gewirkt. Nur dass ich mich heute frage, warum ich das ganze Risiko dieses Minenbesuchs so fatalistisch ueber mich habe ergehen lassen. Heute wie schon vor 400 Jahren sind die Kokablaetter fuer die Mineros das wichtigste Stimulierungsmittel unter Tage. Wichtiger als Essen und Trinken. So werden unter anderem die Pausen danach gelegt, wann der Kokapriem wieder erneuert werden muss. Auch wir haben fuer die Mineros und ihre Hilfskraefte Kokablaetter besorgt und unter sie als Dank dafuer, dass wir sie besuchen durften,verteilt.

Nach altem Indianerglauben wird das Innere des Berges vom Boesen, dem "Tio", auch "Tio Jorge", beherrscht. Mit ihm muss man sich gut stellen. Nur er kann einen beschuetzen. Er hat eine Teufelsgestalt und helle Augen. Wie viele der einstigen Eroberer und Unterdruecker. Alle , die im Berg arbeiten opfern ihm. Kokablaetter und Zigaretten. JedenTag.

Nach Angaben, die ich erhielt, liegt das monatliche Einkommen der Cooperativa-Mineros bei ca. 200.- DM. Selbst bei dem niedrigen Preisniveau ist das ein Hungerlohn, von dem keine Familie leben kann. Viele Mineros haetten ihr Glueck in Chile und Argentinien versucht. Dort seien sie aber so miserabel behandelt worden, dass sie zurueckgekommen seien. Sie wuerden lieber als Mineros in diesem Berg schuften, aber dafuer ihr eigener Herr sein.

Zwei Tage spaeter war "Carneval de mineros".Ich bin gluecklich darueber, dass ich auch das miterlebt habe. Sonst waere der Eindruck einseitig geblieben. Zu ihrem Karneval ziehen die Mineros in Musik- und praechtig kostuemierten Tanzgruppen unter Dynamitgeknalle vom Cerro Rico herunter in die Stadt, wo sie von der Bevoelkerung erwartet werden.



Masken und Taenze sind indianisch, wie das ganze Fest.



Nach Potosi war Sucre, die nominelle Hauptstadt Boliviens, aber heute nur noch Sitz des hoechsten Gerichts, eine Erholung. Sie liegt in 2700 Hoehe und hat etwas ueber 100 000 Einwohner. Eine gepflegte Stadt aus der spanischen Kolonialzeit, die in manchen Vierteln so sauber und aufgeraeumt ist, dass man glaubt, in Spanien zu sein.

Nachdem es viel regnete, beschaeftigte uns schnell eine andere Frage, naemlich wie wir aus Sucre wieder heraus nach Cochabamba kommen wuerden. So unglaublich es klingt, die Stadt ist auf dem Landweg nur ueber Pisten zu erreichen, die in der Regenzeit als erste ihren Geist aufgeben. Die 150 km Asfaltstrasse zurueck nach Potosi half auch nicht viel, weil es von dort aus auch nur Pisten gibt. Die Auskunft vom Busbahnhof am Aufbruchsmorgen war positiv. Die Busse von Cochabamba seien unterwegs und wuerden gegen 10 Uhr erwartet.

Der Start sah vielversprechend aus. Der Platz am Ausgang der Stadt, an dem Lastwagen und Busse Konvois bilden, um sich auf der Strecke gegenseitig unterstuetzen zu koennen, war ein solches Schlammloch, dass ich schon abwinken wollte. Zum Glueck habe ich es nicht getan, sonst saessen wir wegen der nachfolgenden Unwetter vielleicht heute noch dort. Die anschliessende Fahrt war ein Lehrstueck. Ich meine nicht im Enduro-Fahren. Das auch. Nein, ein Lehrstueck ueber die Probleme des bolivianischen Strassenbaus.

Die Piste ging durch das Tal am Rio Chico entlang. Wie in allen anderen Flusstaelern auch, gehen in dieser Jahreszeit alle 1 bis 2 Kilometer Bergrutsche oder Schlammlawinen von den steilaufragenden Geroellbergen auf die Pisten ab. Raeummaschinen, die staendig im Einsatz sind, schieben die Pisten notduerftig wieder frei. Wo einmal gerade keine Bergrutsche sind, werden die Pisten durch Wasser von oben und unten so ausgehoehlt, dass Busse und Lastwagen in Zentimeterarbeit am Abgrund vorbeizirkeln, wenn nicht ueberhaupt die ganze Trasse einmal wieder weggeschwemmt ist.

Ein Kilometer ausgebaute Strasse soll unter diesen Verhaeltnissen das Doppelte eines Strassenkilometers in den USA kosten. Mir kommt das eher knapp gerechnet vor.

Spaeter fuehrte die Piste in die Berge. Die Verhaeltnisse wurden besser. aber daraus eine Strasse zu bauen, wird auch nicht billiger.

Am Ende der 230 km Piste, an der Einmuendung in die Asfaltstrecke Santa Cruz - Cochabamba, uebernachteten wir in einem Hotel, das nichts von dem hatte, was ein Hotel eigentlich ausmacht, weder Gaestezimmer, noch Betten, noch Toiletten, die diesen Namen verdient haetten. Selbst Zaehneputzen fiel unter diesen Bedingungen aus. Den Rest haben wir hinter dem Haus erledigt.

Die Einfahrt nach Cochabamba, eine Grossstadt mit ueber 700 000 Einwohnern, war ein Erlebnis fuer sich. Der ganze oertliche Verkehr und der ganze Fernverkehr aus und in Richtung Santa Cruz, der groessten Stadt Boliviens, fuehrt durch einen Indio-Markt. Mehr Stop als Go mitten durch Gemuesestaende, Garkuechen, fliegende Haendler. Durch knietiefe Strassenloecher. Die Reifen der Lastwagen und Busse im Zentimeterabstand, diesmal nicht am Abgrund, sondern an Pfirsichkoerben, Gemuesebergen oder gebratenen Haehnchenschenkeln vorbei. Tag fuer Tag. Einfach unvorstellbar. Ich bin dort nicht noch einmal gewesen, sondern habe den Verkehr an einer x-beliebigen Kreuzung fuer einige Minuten aufgenommen.



Im Video wird der schon ohnehin hohe Laermpegel aus Motoren, Hupen und Trillerpfeifen uebertoent von den Kinderdstimmen, die unablaessig die Zielorte ihrer Busse ausrufen.



Nun sind wir in La Paz. Ausser dem Bett und einem weiteren Ort habe ich bisher noch nicht viel gesehen. Sobald dieser Bericht draussen ist, soll sich das aendern.

In zwei, drei Tagen wollen wir weiter zum Lago Titicaca, dort am Westufer entlang und dann nach Suedwesten nach Ayacucho abbiegen, wo Gaby wieder dazukommen wird. Ich werde die Haelfte des Gepaecks wegschmeissen, ihr einen Sesselsitz einrichten und sie wie in einer Saenfte nach Alaska bugsieren.

Fuer diese Mal verabschiede ich mich mit zwei Bildern von Marc und mir, abends auf der Strecke von Sucre nach Cochabamba.





 

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